Gedenkandacht in der Corvinus Kirche
Nach dem gewaltsamen Tod eines 14-jährigen Schülers der Evangelischen IGS in Wunstorf sind am Sonntag rund 100 Bürgerinnen und Bürger der Stadt zu einem Gottesdienst zusammengekommen. „Wir haben keine Worte für all die Gefühle, die im Moment in unseren Herzen und im Bauch, durch den Kopf und die Seele kreisen“, sagte Pastorin Franziska Oberheide.
„Wir wollen verstehen“, sagte die Pastorin angesichts des Gewaltverbrechens, das sich am 24. Januar im Stadtteil ereignete. Aber Verstehen sei nicht möglich. Ein Weg des Umgangs könne sein, zu hadern und Gott anzuklagen. Zugleich sei es geboten, zusammenhalten und das Unfassbare gemeinsam zu ertragen.
Aber was hilft?
Was hilft, wenn einem Jugendlichen aus dem Ort das Leben genommen wird?, fragt Oberheide in ihrer Predigt.
Es ist diese Frage, auf die die Andacht eine Antwort zu geben versucht, indem sie Trauer und Verzweiflung, aber auch Angst und Wut vieler Menschen in dem Ort einen Raum, eine Stimme, gibt. Verstehen, so sagt Oberheide, könne man diese Tat nicht.
Ein Weg des Umgangs könne es aber sein, im Gebet Gott anzuklagen und zu hadern, sagt die Gemeindepastorin. Man könne das Geschehene miteinander aushalten, gemeinsam ertragen. Wichtig sei, dass man sich in Bewegung setze, um Aufarbeitung möglich zu machen.
Unter den Besuchern der Andacht waren auch die stellvertretende Superintendentin des örtlichen Kirchenkreises, Christa Hafermann, sowie der Leiter des Schulwerks der evangelischen Landeskirche Hannovers, Gerd Brinkmann. Auch Stadtvertreter nahmen teil, darunter der Wunstorfer Bürgermeister Carsten Piellusch und Ortsbürgermeister Frank Zülich (beide SPD).
Zülich, der den Gottesdienst mitgestaltete, appellierte an die Bürger, das Ergebnis der Ermittlungen und den Richterspruch abzuwarten und auf Schuldzuweisungen und Verdächtigungen zu verzichten. Im Ortsteil hätten die Eltern eines Jugendlichen bereits Morddrohungen erhalten, weil der Name ihres Sohnes dem Namen des mutmaßlichen Täters ähnele. Der Vater des Jungen habe die Polizei eingeschaltet. „Wir wollen nicht mit dem Finger auf andere zeigen, auch nicht auf die Eltern des mutmaßlichen Täters“, betonte Zülich. Die Gemeinschaft müsse jetzt zusammenstehen.
Nach dem Gottesdienst zündeten Besucher im Altarbereich Kerzen an und trugen sich in das Kondolenzbuch ein. „Ich wollte mich hier von dem Jungen verabschieden“, sagte eine Besucherin. Fast täglich komme sie am Tatort vorbei. „Es ist unvorstellbar, dass so etwas in unserer heutigen Zeit passiert.“
Quelle: epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen
Bilder: Nancy Heusel, Landeskirche Hannovers